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Schrottplätze und Badewannen

Ich bringe Kindern den Umgang mit Blankwaffen bei. Ich fange Riesenfalter in der alten Wohnung. In der neuen Wohnung fehlt ein Schirmständer. Im Garten zupfe ich am Hibiskusbaum, am Efeu, sammle Regen. Für die Ferien reserviere ich Schrottplätze und Badewannen. Ich lese frischen Hörstoff ein. Auf meinem Nachttisch liegen eine Dose Nivea und ein Radiergummi. Ich gehe barfuß durch Kies und Brennesseln. Von den unzähligen Scherben auf dem Schulhof verletzt mich keine. Unter der Dusche zähle ich meine blauen Flecken. Ich lasse Infos über baldige Vernissagen aushärten. Ich freue mich. Ich vermisse. Ich werde wieder Philosophie unterrichten. Ich werde Feelein genannt. Ich fliege mit der Musik. Ich bin eine quirlige Energieballung, die sich in einem Körper verfangen hat.

Monstrum

Niemals hätte ich als Kind vermutet, wie riesig, konfus und kompliziert die Welt wirklich ist. Und ich lernte seither bestimmt nur Bruchteile dieses Dschungels kennen. Winzige Bruchteile. Mir das Monstrum Welt als Ganzes vorzustellen, haut mich jedes Mal vom Hocker. Ob das Schönheit oder Hässlichkeit, Bedeutsamkeit oder Nichtigkeit ist, keine Ahnung, kein Plan. Ich sollte stattdessen wohl lieber den Brief nach Paris fertigklecksen. Oder Umzugskartons packen. Oder einen Roman schreiben. Oder.

Klebegewebe

Ich mag das Gefühl, ein zerfleddertes Pflaster am Finger zu haben. Das Gefühl, mich aufzureiben, zu verschwenden, das Leben nicht ins Ungewisse aufzubewahren, sondern zu leben, jetzt, hier. Mit all den Provisorien, den wackligen Hängebrücken, den abgebrochenen Fingernägeln. Zu leben, zwischen den Stühlen, geduldig, ungeduldig, und mit einem Fuß in jeder Tür. Freilich, das Ding auf meinem Finger ist nur ein Fetzchen klebriges Gewebe. Nicht der Rede wert. Und doch. Ich mag das Gefühl.

Literaturgemüse

Chinesisches Porzellan und Wein und Schuhe wandern in die Kartons. Tapetenwechsel, denke ich. Direkt über einer Buchhandlung werde ich wohnen, einen Rosenbusch haben und ein Beet, aus dem Romane und Lyrik wachsen. Sie werden wie Radieschen und Karotten aussehen, vielleicht auch irgendwann wie Salatköpfe oder Kapuzinerkresse. Verkappte Gemüseliteratur, verkapptes Literaturgemüse. Außerdem wartet ein lindgrünes Arbeitszimmer auf mich, eine blaue Holztreppe und der schönste Waschküchenboden der Stadt.
Später, im Stuttgarter Schriftstellerhaus, begutachten wir unsere Manuskripte, in kleiner Runde. Ich verschlucke einen Kirschkern und lasse mich übern Weinberg führen. Übernachte schließlich in einem einsturzgefährdeten Haus, schlafe hervorragend. Auf Kupferblechen rasselt der Regen.
Die Zugfahrt zurück bringt eine der kleinen Epiphanien, für die ich lebe. Ihre Tragweite wird in den nächsten Wochen erprobt.

Play

An einem dieser Regentage lege ich Fink ein. This is the thing. Meine langsamen Handgriffe fühlen sich wie Vorbereitungen zum Selbstmord an. Ich weiß, gleich trifft mich die Kugel. Und ich werde nicht stehen bleiben. Das fühlt sich wie der Lauf einer schlanken Waffe an. Ich habe ein bisschen Angst. Aber ich zögere nicht. Drücke play. Als ich schließlich am Boden liege, nur bildlich, fließt kein Blut. Aber ich heule wie lange nicht mehr. Tatsächlich.  Solchen Musikern sollte der Zugang zu meinem Herzen verboten werden, denke ich. Und weiß doch, dass sie immer die ersten sein werden, die ich reinlasse.
Ich lerne über junge Raben. Erst legen sie Dir ihren sonnengewärmten Schnabel an den Hals und tun ganz zärtlich, dann machen sie sich einen Spaß daraus und ziehen Dir die Ohren lang. Ich bin indessen bei Kapitel vierzig und sterbe vor Ungeduld. Aber manchmal ist das fast angenehm, das Sterben.
Später, als die Sonne wieder da ist, finde ich das Schlaraffenland im Industriegebiet. Mongolisches, chinesisches, japanisches Buffet, mit Sushi, Garnelen und Muscheln, mit frisch gebratenem Gemüse, frei zusammenstellbaren Wokfantasien, Krabbenchips, Suppen, Erdnussoße, Mais und Känguru, mit Salaten, Früchten, Götterspeise, gebackenen Bananen, Eis und allem, was ich jetzt vergesse. Nicht der letzte Besuch, denke ich, garantiert nicht der letzte, im China Town.