Existenznachweis

Facebook und Konsorten machen mich glauben, dass nur geschehen ist, was als Event existiert oder fotografisch dokumentiert wurde. Ein Frühstück kann nur geschmeckt haben, kann nur diese wohlumrissene Frühstücklichkeit an sich gehabt haben, wenn es abgelichtet und hochgeladen wurde. Ein Mensch kann nur schön sein, wenn es genügend Bilder von ihm gibt. Ich sehe die Facebooker durch die Welt gehen, Kameralinsen auf den Augen, stets auf der Jagd nach dem Beweis für die Einzigartigkeit des Moments. Sie beweisen sich ihr Leben, ihre Existenz, abdrücken, anklicken, ihr Fühlen, ihr Denken, den Wert ihres Daseins, ein Nachweis jeden Tag. Es ist beinahe ansteckend, ich will auch existieren, will auch schön sein, fast bekomme ich Knipsaugen wie sie. Nur fast. Ich habe keine Kamera und will auch gar nicht. Moment um Moment für die besten Lebensbeweisbilder lasse ich verstreichen. Siebe nicht, sammle nicht. Reiße nur die Augen auf, es genügt. Unter einem Venushimmel, das Sonnenflirren im Haar, spaziere ich durch Florenz und mache kein einziges Foto.