Ars vivendi

Ich bewege mich durch eine Welt, wo reife Granatäpfel von den Bäumen fallen. Ich kann sie aufplatzen lassen, ihre roten Kerne lutschen, meine Zunge mit ihrem Saft färben. Außerdem riecht es nach Zedernholz und Badeöl hier. Die Nächte sind voller Arbeit. Ein blinder Ritter taumelt durch meine Wälder, ein Gnadensucher, und die Eisvögel lassen ein paar Federn für mich. Heißes Glück und heißer Schmerz, Können und Wollen, ars moriendi und ars vivendi sind hier dasselbe.
Wo alle das Wetter fliehen, will ich hinaus in den Regen. Sympathisiere mit den überfließenden Bächen, will selber überfließen. Oder mit Streichhölzern spielen, am besten neben den Benzinseen fremder Seelen.
Ich träume von Eibenbeeren, von ihren fleischig roten Samenmänteln und süßem Gelee darinnen. Die Kerne muss ich ausspucken. Hundert Gramm davon bringen ein Pferd um. Das keucht mir der blinde Ritter zu. Manchmal bleiben Pfeile neben unseren Gliedmaßen stecken. Heftig zitternd. Die Gewolltheit dieses haarscharfen Danebenschießens ist atemberaubend. Übungspfeile sind das. Jemand will noch gar nicht treffen. Jemand hat ein Kunststück mit uns vor. Wartet auf den richtigen Pfeil, auf den richtigen Moment, wenn wir einmal dicht beisammen sind. Zwei Fliegen mit einer Waffe, zwei Narren mit einer Spitze, zwei Seelchen auf einem Schaft. Wir starren gebannt ins Dunkel des Waldes. Gnade uns Gott. Dieser Schütze ist gut. Dieser Pfeil wird sitzen.