Lesung im Roten Salon der Berliner Volksbühne
Foto: Jamal Tuschick
Ein Unternehmensberater teilt seine Beobachtungen über einen ihm bekannten Studenten mit mir. Wer nachts um halb drei nach einem ausgiebigen Fest Mathe lernt, ist entweder ein Faulpelz, der am nächsten Tag einen Test schreibt, oder ein wahrhaft freier Geist, sage ich. Beim Sagen frage ich mich, ob ein Fest, das um halb drei endet, überhaupt ein ausgiebiges gewesen sein kann. Werde von der Antwort, einen Test habe es nicht gegeben, abgelenkt und verliebe mich spontan in jenen Unbekannten, der sich mitten in der Nacht aus freien Stücken der Mathematik hingibt. Ich unterhalte mich mit einem Theatermacher über asiatische Nachtische, mit einem Ingenieur über ägyptisches Kino. Weil meine Begleiter schon vor halb drei Schluss machen, keiner tanzen will, muss ich am nächsten Tag wohl oder übel durch den Regen laufen, einen Kilometer nach dem anderen. Irgendwohin muss die gebündelte Energie ja gehen.
An Silvester wandere ich mit großen Augen durch den Böllernebel. Durch die Geschützaufbauten, durch die Partygesellschaften, am Fluss entlang. Man schmeißt sich, säuft sich, ballert sich weg. Menschen hängen wie überreife Früchte an Geländern und über Mauern, manche kreischen noch, andere schon nicht mehr. Ein lebendiges Vanitasmotiv, und niemand, mit dem ich mich darüber unterhalten könnte. Keiner scheint sich zu fragen, was er da eigentlich tut. Das Eigentliche interessiert nicht. Nichts ergibt Sinn an dieser Szene. Immerhin versetzt mich die konsequente Sinnlosigkeit in dasselbe Staunen wie tropische Riesenfalter oder plötzliche Wetterumschwünge. Der richtige Moment für eine Zigarette, ich wandere weiter. Wie um die Melodie der Nacht zu unterstreichen, zerfallen mir die Schuhe unter meinen Schritten, altes Gummi löst sich ab und bleibt auf der Straße liegen.
In der Kulturbuchhandlung Jastram liest Fee aus ihrem Debütroman am 12. März 2013 um 19 Uhr.
Kulturbuchhandlung Jastram
Schuhhausgasse 8 am Judenhof
89073 Ulm
P.S.: Samy Wiltschek hat auch einen Kulturblog, schaut rein und vorbei!
14. Februar 2013: Fee liest aus »Die Schüchternheit der Pflaume«: Mehr Infos bei der Volksbühne direkt.
Volksbühne Berlin
Lesebühne im Roten Salon
Linienstraße 227
10178 Berlin