Mein rotes Leben

Am Tag nach der Blutspende ein Glas Wein zu trinken ist durchaus eine andere Erfahrung als gewöhnlich. Zumindest, wenn die eigene Körpermasse nicht hinreicht, um als ordentlicher Alkoholverteiler zu dienen. Mir schwindelt und ich bleibe lächelnd sitzen. Als Erstspender ist überhaupt die ganze Prozedur eine Erfahrung. Nadeln, Flüssigkeiten und mein rotes Leben, dem ich beim Rinnen zusehen kann. Es ist unheimlich.
Danach, der Beutel ist ganz warm, ich darf ihn anfassen. Mein Arm tut ein bisschen weh beim Beugen, aber das ist in Ordnung. Den Verband trage ich gerne für ein paar Stunden, so wie sich Kinder gegenseitig Verbände anlegen, gerne, für ein paar Stunden.
Mein Gefühl bestätigt sich, dass dieser Körper nur geliehen ist. Ich stecke so ganz darin, liebe sein Sichtbares und Unsichtbares, darf alles mit ihm machen, was ich will. Das ist herrlich. Trotzdem, letztlich werde ich ihn wohl wieder abgeben. Mein Blut gehört nicht mir, würde eine Dame aus meinem allernächsten Umfeld sagen. Meine Stimme gehört nicht mir, würde sie hinzufügen und insgeheim gen Himmel schielen, ob dort nicht ein Gott wartet, sie kurzer Hand in seinen rosafarbenen Cadillac zu packen.