Buntes Nest

Manchmal trinke ich Cola, Kaffee und Martini durcheinander oder ähnlich wilde Kombinationen. Manchmal treffe ich Entscheidungen unter Wasser. Was mir aber erst auffiel, nachdem ich sie getroffen hatte, in der Badewanne untertauchend. Vielleicht weil’s ruhiger ist, da unten, trifft es sich dort besser. Manchmal schreibe ich Manchmalsätze. Und immer wieder gibt es Bauklötze zu staunen. Zum Beispiel wenn ein Ulmer Taijilehrer mir seine Lebensgeschichte erzählt. Zum Beispiel wenn ein abgeklärter Elektromusiker mir neurolinguistische Programmierung erklärt. Zum Beispiel wenn ein Medienkünstler und sein Schlagzeugerfreund volle Angst voraus leben. Oder jeden Tag, wenn ich in einem Meer aus Menschen bade. Da verstecke ich das Staunen manchmal und lasse es erst abends heraus. Dann wandert es im Kreis um meinen Schreibtisch und streut Blumen. Als ich noch zur Schule ging, wurde ich mit einer kleinen Orgelpfeife zum Klangritter geschlagen. Der Klangkönig und Organist stand leicht erhöht und war ein merkwürdiger Mann, den ich liebte. Ich war eine Schülerin, eine rothaarige Hinterfragerin mit Bernsteinkette, eigentlich gar nicht so anders als heute. Klangritter, Poeten und Nerds, ein paar Normalos und die ständigen Danebengreifer. Meine Welt und ihre Bewohner sind ein buntes Nest.

Suchanfragen sichten

Zeit für eine neue Sichtung der Suchanfragen, denke ich. Was die Netzvagabunden in den Fairy Club führte und über meinen roten Teppich stolpern ließ. Zugegeben, die meisten suchten wirklich nach mir und meiner alten Villa. Aber es gab auch welche, die eigentlich zu Kai Wiegandt oder Hans Peter Nutzinger wollten. Wieder andere wollten auf den Friedhof von La Rochelle, tatsächlich. Manche suchten Erdbeerbilder, Feenfotos und Metaphern für die Liebe. Einer wollte ficken im Jugendstilbad. Keine schlechte Idee. Erstaunlich vielen ging es um ein tödliches Ende und ich frage mich, ob das etwas mit dem depressiven Roboter aus der Anhaltergalaxis zu tun hat. Sie suchten Schwimmbadfarbe, bodenlange Nachthemden und rosa Hüpfbälle. Sogar Endes Spiegel im Spiegel führte jemanden zu mir: Der Sohn hatte sich unter der kundigen Anleitung und so weiter. Wie liebe ich diese Geschichte. Und wie oft habe ich sie vorgelesen.

Frühling

Acrylfarbe und Tuscheflecken beschmutzen endlich wieder meine Finger. Ich habe nichts verlernt und bin beruhigt. Genüsslich verreibe ich die Rückstände in meinen Handflächen. Wenn ich könnte, würde ich mir sofort zwei Kunstklassen unter den Nagel reißen. Doch Geduld. Nachmittags finde ich eine Fotoserie wieder, die ich in Wales geschossen habe. Wales, mein Zeitgefühl sagt, dass das alles gestern war. Mein Zeitgefühl sagt aber auch, dass jetzt Frühling ist. Mein Zeitgefühl ist ein Freak. Wie mein Taktgefühl, doch das ist eine andere Geschichte. Ich freue mich jedenfalls kindisch und hänge die Fotos hinter Klarsichtfolie ins Bad. Views from a window ? mit der Spiegelreflex im Fenster sitzend, sich katzenmäßig auf dem Fensterbrett trollend. Weil das Meer so gut riecht. Weil der Himmel ganze Romane erzählt. Weil das Leben schön ist. Literatur, Fastfood, Videospiele, Frühlingsgefühle und Hormonbäder. Wird die Frau jemals erwachsen, denkt sich mein innerer Beobachter. Ich spucke ihm einen Mund voll Wasser ins Gesicht.

Melancholie für Fortgeschrittene

Skizzen. Chaitee und Thaisnacks. Melancholie für Fortgeschrittene. Ein schwarzes Buch, das mit seinem Goldschnitt ein bisschen Bibel sein möchte, leichte Unterhaltung zwischen zwei Kunstlederdeckeln, so weit, so gut. Nachts meine Wurzeln in meinen Mitbewohner schlagen. Ruhe. Wärme. Kleine Narben. Schlaf und so viel Träume, dass daraus neue Welten zu bauen kein Problem wäre.

Gummistiefel

Ich kriege Dinge geregelt, ohne einen Funken Selbstdisziplin, chatte, telefoniere, Prokrastination hoch drei. Musik, Vorfreude, Gummistiefel mit rosa Rosen drauf. Ich irre durch Märchenfilme, in denen mir Tüllkleider vom Leib gerissen werden, das Kopfkino flackert vor sich hin. Später, ein Highway voller futuristischer Lichtobjekte rauscht durch meinen Kopf, es muss am Kaffee liegen.