Zerfleddert

Die Stockholmer Dozentin, die Heidegger lehrt, ist jung, schwarz gekleidet und zeigt ein ländliches Gesicht. Wäre ihr sehr kurzes Haar nicht blond gefärbt, passte der Heideggersche Krug sehr gut in ihre feste Hand. Stattdessen spricht sie von Faktizität, Existenz, Verfallen, stockt dabei manchmal, lächelt, spricht schnell, bricht ab, spricht schneller, spricht zum Fenster hin, lächelt und sammelt die Studenten wieder mit einem Blick ein. Ich mag es, sie zu hören, zu sehen. Ihre Stimme ist zu kehlig für meinen Geschmack, aber diese Sprechart fiel mir bei etlichen Schwedinnen auf.
Leicht pervers fühlt es sich schon an, den Deutschen auf Schwedisch zu studieren, aber weil ich seine Texte gut kenne, mischt sich jedesmal die Neugier dazwischen, wie dies oder jenes übersetzt wurde, wie dies oder jenes in der nordischen Sprache klingt. Und, zugegeben, von Deutsch nach Schwedisch, das ist eine milde und sehr machbare Übersetzung.
Auf dem Pult der Dozentin liegt eine zerfledderte, gebundene Ausgabe auf Deutsch. Niemeyer, Tübingen.