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Kopfkino trifft Kiesewetter im Ulmer Stadthaus

Fee Katrin Kanzler trifft Kai Wiegandt

Fee wird aus »Kopfkino« lesen, von Kai Wiegandt gibt es den Prosatext »Kiesewetter« zu hören. Die Lesung findet am 28. Oktober 2008 im Kabinett statt, Ausstellungsbereich, zweites Obergeschoss, um 19.30 Uhr.

Eintritt 7,50.-/5.-

Ein gutes Restaurant

Ich sage Brötchen statt Semmel, gebe mich asymmetrisch, tanze. Ersatzlos fallen Züge aus. Nachts, in Russland, Hamburg und Frankfurt, die irgendwie traumlogisch verwachsen sind, streife ich um Raffinerien, Fabriken und Lagerhallen, in deren oberen Etagen sich schicke Cafés und Clubs befinden. Die Keller der Gebäude brennen. Es stinkt und wir wissen, dass gleich etwas in die Luft fliegen wird. Der Wecker piepst, grausam wie selten, ich springe auf, mein Kreislauf singt. Süßer, denke ich, und schicke schmutzige Gedanken nach Norden, wäre ich Marla, Du wärst mein Arsenal an Selbsthilfegruppen. Ich bin die glückliche Elendstouristin, die Kleine im Theaterkleid, die Alptraumfrau, das Feuer unterm Männerarsch, die lang schon lockere Schraube. Das alles rede ich so hin. Ein kleiner steifer Chinese bringt Krabben und Guavensaft, die Goldfische beschwirren von der Seite unseren Tisch. Wir werden wiederkommen, ein gutes Restaurant.

Myrte

Abendweise ein paar Gläser Vin de myrte. Dank Juli Zeh könnte ich nun wieder Evanescence hören. Aber eigentlich mag ich Trent Reznor lieber. Ich schlürfe die Sahne vom Kaffee. Mit einem anderen Musiker läute ich die unerträgliche Langsamkeit des Seins ein.

Die Reise nach Jerusalem

Juli Zeh nennt es eine Schallmauer. Sich eine Welt abkapseln über die Musik, ein Kopfhörerkind auf wechselnden Bahnsteigen. Die blauen Schilder zeigen die Ortsnamen. Es könnte irgendwas auf den Schildern stehen, ich könnte irgendwo sein. Mittags gibt es mal Nordisch, mal Chinesisch, mal Japanisch. Mein Herz schwimmt Schmetterling durch den heraklitischen Fußgängerfluss, der niemals derselbe ist.
Neben platten Mäusen und toten Kröten bringt der Herbst seine freitäglichen Unterwasserküsse und Überraschungen, die keine sind. Entwaffnete fallen ihrem Los anheim. Überhaupt, so scheint es, fallen zur Zeit viele in irgendeine Richtung. Manche fallen genussvoll und bewusst, die meisten wahllos und schnell. Das Leben ist kein Wettbewerb, denke ich, bleibe stehen und sehe zu. Die Reise nach Jerusalem darf ruhig ohne mich weitergehen.
Ich wechsle zwischen zwei und mehr Welten, ein sanftes Ticktack, der wenig regelmäßige Puls meiner Tage. Die Übergänge werden smoother, die Unschärfe weicht einem bisweilen bestechend scharfen Fokus. Zwar kann ich lange nicht von Synchronisation meiner Welten sprechen. Aber ich arbeite dran. Hart. Wie Wellen spülen die Tage ans Ufer. Es gibt Schuhe, in denen selbst ein rauer Kiesstrand weich wie Sand ist.

Bewegungsunschärfe

Plötzlich kracht eine neue Arbeitsphase herein. Zum ersten Mal sehe ich mein Leben mit Bewegungsunschärfe. Durchhalten, Kopf runter, alles wird gut. Niedig hängende Zweige peitschen um meine Ohren. Ich hoffe inständig auf meine Subprogramme und lasse die Zügel locker.
Nebenbei ereignet sich Erotisches auf einer der zahllosen Bühnen des Internets, ein Abschied, der ein Anfang ist und ein gefundenes Fressen für Voyeure. Fast bedauerlich, dass weder ich noch sie zur Zeit die Muße haben, unser Publikum durch weitere Akte zu schleusen.
Die Katzen indes schleppen öfter Mäuse an. Auf dem Weg vorm Balkon bleiben sie liegen, kleine graue Liebesgaben. Leicht unklar nur, für wen. Was nach ein paar Tagen von einer solchen Maus übrig bleibt, ist erstaunlich wenig, kaum mehr als ein verdorrtes Blatt.
Die Luft beginnt nach reifen Äpfeln zu riechen.