Chlorlandschaft

Wann ich zum letzten Mal im Schwimmbad war, keine Ahnung. Ich hatte den Geruch vergessen: ein türkisfarbener Geruch mit ein bisschen ölgelbem Pommesduft. Gestern, wir waren nass und atemlos, wie die Jungs, die zum zehnten oder zwanzigsten Mal den Rutschturm hochrennen, mit Luftreifen oder ohne.
Einer der Jungs fragt mich, ob ich mit ihm seinen Reifen halte. Er ist nur einen Kopf kleiner als ich und wie es aussieht, käme er allein zurecht. Aber er macht den Hundeblick, den kleine Jungs sonst nur ihrer Mutter oder der besten Freundin zeigen, wenn sie eine haben. Ich packe mit an, wie im Spiel, nicht wirklich viel tragend. Er verschwindet selig in der Rutschröhre.
Dann einer, der viele Bahnen geschwommen sein muss. Er pflügt neben mich hin, Wasser im Bart. Ich versuche, ihn unterzutauchen. Luft anhalten, warnt er, und tunkt stattdessen mich unter Wasser. Und für jedes Anspritzen will er mich nochmal auf Tauchstation setzen, sagt er. Er packt mich untern Arm wie eine Reisetasche ohne Henkel. Dass er schon mindestens drei graue Haare in seinem Pferdeschwanz hat, spielt keine Rolle. Er ist fünfzehn und ich auch. Sorgloser als Kinder, weil wir die ganzen Kindersorgen nicht mehr haben, glitschen wir durch die Chlorlandschaft.
Andere Tage, ich schnurre wie eine Spieluhr, deren Musikbändel längst nicht eingezogen ist, die Melodie läuft ein bisschen zu schnell, fröhlich und aufgeregt. Ich gehe im Felsenmeer spazieren, ich schreibe, ich lese, ich bade und bin immer noch nicht müde. Glücklich, ohne zufrieden zu sein. Auf dem Balkon gibt es Sumpfmeise mit Papageienfutter.