Nachteule

Kleine Nachteule, sagt seine Nachricht und blinkt. Er selbst hat das Netz längst wieder verlassen, der Nachrichtenschreiber, und schläft. Ein paar Sekunden lächle ich das Nachrichtenfenster an. Mathelehrer ist er. Wollte wohl nicht mehr sagen als das, kleine Nachteule.

Versteckspiel

Fast täglich betritt ein neuer Fremdling den Fairy Club und ich muss die Schamlosigkeit der Zunge wieder lernen. Nackt vor der Staatsgalerie posiert zu haben, während ein paar Meter weiter in Anzug und Fliege zu Abend gegessen wird, kann nicht in Metaphern gekleidet werden. Ebenso wenig wie mein Sex. Beides wird etwas Anstößiges behalten, so sehr man auch vom Verfall der Tabus unken mag.
Mein Spiel liebt das Verstecken, deshalb schweige ich schnell wieder, alles Nötige wird die werte Kundschaft ohnehin erfahren. Meine melancholische Stimmung heben die kleinen Ausschweifungen jedenfalls ungemein, und sei es nur für ein paar Tage. Das einzige, was ich im Moment vermisse, ist das schöne Fell eines Weimaraners unter den Fingerkuppen. Und eine Brunnenpflanze samt eigenem Garten vielleicht.

Chrysolith, Beryll, Topas

Schwedisch ist nur lustiges Seeräuberdeutsch, denke ich. Es dürfte mir leicht fallen. Pippi Langstrumpf und Ronja betrachten voll Erwartung mein Lehrbuch. Bald werde ich Pippi oder Ronja nicht nur im elterlichen Garten, sondern auch in deren Muttersprache und auf schwedischer See spielen können. Die roten Zöpfe sind schnell geflochten, den Lederriemen habe ich schon in der Tasche. Mir fehlt, das ist allerdings ärgerlich, ein Pferd.
Ich habe einmal Steine gekauft. Du weißt schon, kleine Edelsteine, walnussgroß. Als ich sie alle in einem Körbchen versammelt hatte, wollte ich vom Verkäufer wissen, was ich denn für Steine ausgesucht hätte. Sein Laden war ganz leer und wir hatten Zeit. Nicht, dass ich mir die anderthalb Dutzend Namen hätte merken können. Ich wollte die Wörter hören, aus seinem walisischen Mund. Ich ließ ihn alles aufzählen, nur um die Namen der Steine zu hören.
Als stehe ich plötzlich auf einer hohen Klippe und der Wind fahre durch mein Haar, weiß ich nicht mehr, ob der Boden unter meinen Füßen noch da ist. Dabei ist es völlig gleichgültig, wo ich in Wirklichkeit stehe, was ich tue, welche Stimmung ich zuvor hatte. Plötzlich bin ich emporgerissen und muss fliegen. Manuel sagt, ich sei das Mädchen mit den Flügeln. Manche neiden mir das Geraffel auf meinem Rücken, andere verfluchen es, ob es irgendwer schon einmal geliebt hat, weiß ich nicht, nein, will ich nicht zugeben. Zum Glück sieht man die Flügel nicht gleich und nicht immer. Nur soviel, im Weg waren sie noch nie.
Heute fiel mir wieder ein, dass ich, eine nie vergessene Zeit, in einem erzkatholischen Kindergarten unter der Leitung von Ordensschwester Edigna meine ersten sozialen Kontakte knüpfte. Es war der einzige Kindergarten im Ort, deshalb ging ich hin, auch wenn meine Eltern wenig Religiöses im Sinn hatten. Aus dieser Zeit stammt auch eine Kinderzeichnung von mir, ein Jesus am Kreuz, schlicht, symmetrisch, mit blauem Kugelschreiber gezeichnet und einem jämmerlichen Grinsen im Gesicht.

Sanftheit

Weniger Hoffnung, mehr Lust, denke ich. Danach rede ich mit einem, dessen Neugier für mich wie ein Spiegel ist. Über die Götter und den Anfang, und ganz, ganz kurz über Sanftheit. Das Lied, das ich höre, hat eine einzige Textzeile. Help me. Oder: Hurt me. Es ist nicht zu unterscheiden. Ich frage mich, welcher Bitte ich lieber nachkäme.