Pinnwand

Neugier und Dekadenz, Nerdismus und Snobismus. Oder einfach eine Reise. Jeder Mensch ist ein fremdes Land, voll eigener Bräuche und Sehenswürdigkeiten, voll privatem Wahnsinn und Unsinn. Hat eine eigene Sprache, Küsten, Meere, Heiligtümer. Deshalb hat es nichts Herablassendes, wenn ich sage, dass ich jemanden bereise.
Tatsächlich habe ich zwei Männer bereist, zwei Städte, zwei Welten. Einer der Männer würde sich wehren, so unterschiedslos im selben Satz mit dem anderen genannt zu werden. Deshalb bekommt er eigene Sätze. Oktopussätze, Sushisonaten, Weißweinquartette. Ich tanzte für ihn mitten auf der Showbühne bei einer Schwulenparty und er sah mich nicht. Ich tanzte also weiter, bis auf den großen Feldberg, einen Stock als Schwert in der Hand, da sah er mich dann.
Er spricht über Autos und ich schmunzle, warte insgeheim auf den Tag, an dem ich seine Autoschlüssel in die Finger und die passende Strecke vors Visier bekomme, er spricht über Villen, über Materialismus, über Krawatten und ich schmunzle immer noch. Die Rede übers Fischgrätparkett in Eiche allerdings beeindruckt mich.
Frühstücks ist er anspruchsvoll. Mittags melancholisch. Dinners fehlt die Musik in seiner Wohnung. Aber dem lässt sich abhelfen.
Jedenfalls komme ich zurück, Elbsand in der Hose, Mainwind im Haar, während es bei Ulm nur regnet. Hamburg, Frankfurt, eigentlich fehlt noch Berlin, denke ich. Aber schließlich bestücke ich kein Sammelalbum mit meinen Reisen. Nur die Pinnwand meiner kleinen Seele.