Zeitverschwendung

Seit langem verirrst Du Dich wieder in einen Buchladen. Sofort bist Du zuhause, Du hattest ihn fast vergessen, den Sog. Natürlich verlässt Du das Geschäft nicht ohne Beute. Die halben Stunden, in denen ich tatenlos herumstreune, weil das Geschäft, in dem ich etwas besorgen muss, noch nicht geöffnet hat, die halben Stunden, die verloren sind, weil das Geschäft tatsächlich, wie altmodisch, Mittagspause macht, die halben Stunden, in denen sich das Nachhausefahren nicht lohnt, diese sinnlos vertanen halben Stunden, diese halben Stunden, ich liebe sie. Sie sind ein gefundenes Fressen für mich. Lustvolle Vergeudgung von Zeit. Ja. Zeitverschwendung gehörte schon immer zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Die wirklich guten Ideen kommen beim Verschwenden. Später, ich schaue mir Bilder von Löwen an, die sich necken und ficken. Und Bilder von weltbekannten Straßenkreuzungen. Gieße den Farn und den Efeu. Füttere die Vögel. Im Museum gibt es Kupferstiche und Holzschnitte von Albrecht Dürer. Die will ich sehen. Dass das Museum einmal das erste öffentliche Schwimmbad der Stadt war, ein kleines Jugendstilbad, bemerke ich erst beim Betreten der Empfangshalle. Mosaiken und Buntglas, ein Wandbrunnen, Treppen links und rechts. Geschwungenes Holz, seltsame Leuchter. Goldene Buchstaben über einem Schalterfensterchen. Kasse und Wäscheabgabe, steht da in Jugendstilschrift. Der Brunnen ist fürs Erste trockengelegt. Ich würde den Steinmund gern einmal Wasser speien sehen.

Kuppeln und Sterne

Zwei langhaarige Kerle, man könnte sie für Brüder halten, eskortieren Dich in die Limesthermen. Sie spielen Hofstaat mit Dir und Du bist die Prinzessin. Unter Kuppeln und Sternen badest Du Deine königlichen Glieder. Auf dem Heimweg besorgst Du eine Flasche Laphroaig. Und Martini. Deine Ritter wählen Kaffeelikör und Guiness. Es gibt Sushi. Verwöhnt und glücklich sitzt Du später auf dem Bett. Und wunderst Dich, warum das Glück immer Deine Türen einrennt.

Nadelstreifen

Man könnte sich ein wenig mit der Welt beschäftigen, denn es ist der letzte Tag des Jahres. Also die Frankfurter Allgemeine aufmachen und sich die Finanzkrise anlesen. Teetasse um Teetasse und Licht ins Zimmer holen, so lange der Nebel es zulässt.
Später streife ich durch den raureifigen Wald, sammle Kristalle auf der Wollmütze, der Nebel ist längst zurück. Gleich danach, noch mit kälterosigen Backen, schlüpfe ich ins Nadelstreifenkleid. Frage mich, was die Party bringt. Kein lüsterner Schwanentanz wie in Nürnberg, das weiß ich, aber selige, süchtige Blicke vielleicht. Ein neuer Ort, ein neuer Kontext, eine neue Gleichung mit zwei Konstanten und vielen Unbekannten.
Bereits in vollem Gang finde ich meinen Silvesterabend vor, funkelnd, plätschernd, in einer großen Wohnung überm Kornwestheimer Bahnhof, wo Leute feiern, von denen ich die wenigsten kenne. Rasch schleuse ich mich in den Partyfluss, ein bisschen stromlinienförmiger als sonst. Als ein Hemd aus der Menge auftaucht, das meine Nadelstreifen spiegelt, weiß ich genau, dass das kein Zufall ist. In dem Hemd steckt ein Mann mit Hut. Den kenne ich.

Wie immer

Wieder das alte Paar. Der Tod und die Liebe. Er trägt Hüte. Sie hat Wildlederstiefel an. Sie wirft ihn gegen die Wand. Er atmet schwer. Er packt sie am Hals. Sie lächelt selig. Sie wollen umschlingen, bestehlen, zu Boden werfen, sich und andere. Sie sind Bonnie und Clyde, sie sind der Showdown im Blutbad. Vorm Blackout tauschen sie die letzten Blicke, glühend klare, außer denen keine Welt mehr ist.
Bist Du verliebt, fragt einer. Ich lächle nur. Selig. Ich bin verliebt, wie immer.

Gold, Zimt, Täubchen

Kleine Hyänen und Löwen bändigen, mit bloßer Hand ihre Kehlen anfassen, schütteln oder kraulen, je nachdem. Sich unter die Pranken der großen Löwen legen, sich was beweisen. Die Nägel golden lackieren. Fahrkarten kaufen. Zimtsterne verteilen. Schuldig sein. Selig sein. Auch Dichter sind manchmal zu high für Worte. Ich wiederhole. Freundschaft ist nur eine Entschuldigung, nicht lieben zu können.
Sich fragen, wer lauscht. Sich fragen, wer liest. Satzfetzen aufschnappen, und wie die Augen im Dunkeln gern Gespenster sehen, macht das Ohr wunderliches Geschwätz aus den Fetzen.
Zitrone, Mango, Melone, schmeckst Du es heraus. Wo die richtige Stelle für einen Kuss, wo der Club für diese Nacht. Das Hotelzimmer wartet und ist einfach da, wenn man es braucht. Vielleicht ein Stadtplan, vielleicht ein Frühstück in der Skybar. Vielleicht blaue Flecken, für mich oder den Löwen. Für einen Moment wird die Welt wieder still stehen. Sagt er. Wird unter meinen Händen wie ein Täubchen gurren. Kein Geheimnis, keine Sensation.